Einsatz gegen die Schwelbrennanlage ...
... und für mehr Müllvermeidung und -trennung in Fürth
Ab Mitte der 1980er Jahre war die Abfallentsorgung ein beherrschendes Thema der Kommunalpolitik in Fürth. Nachdem das Ende der Ablagerungsmöglichkeiten auf dem Atzenhofer Müllberg absehbar war, wurde fieberhaft nach neuen Konzepten gesucht, wobei die Politik für großtechnische Lösungen sehr empfänglich war. Da kam es wie gerufen, dass Siemens KWU eine (zunächst) kostenlose Anlage zur Müllverschwelung anbot.
Zusammen mit dem Verein "Müll und Umwelt" engagierte sich der BUND Naturschutz von Beginn an gegen diese Anlage. Der Kern der Kritik des BUND Naturschutz war, dass es sich dabei um eine unzureichend erprobte Technologie handelte, weil dafür bislang nur wesentlich kleinere Anlagen existierten. Damit bestand ein hohes Risiko für zusätzliche Luftbelastungen im Umfeld.
Genauso wie andernorts in Bayern hielt der BN die Anlage für völlig überdimensioniert, wenn alle sinnvollen Möglichkeiten zur Müllvermeidung, Abfalltrennung und zum Recycling tatsächlich ausgeschöpft werden würden. Tatsächlich wurden im Zuge der Diskussion in Fürth flächendeckend Biomülltonnen sowie ein Bringsystem für Papier, Metalle und Blech sowie für Altglas eingeführt („Grüne Zigarren“). Erst später bekamen alle Haushalte auch eigene Altpapiertonnen.
Nach vielen Aktionen und großen Demonstrationen in der Fürther Innenstadt konnten 27.000 Einwendungen im Genehmigungsverfahren abgegeben werden. Aber die Regierung von Mittelfranken genehmigte den Bau der Schwelbrennanlage, trotz unvollständiger Unterlagen. Um die Privatisierung zu verhindern wurde 1995 die damals neue Möglichkeit eines Bürgerbegehrens genutzt. Zum Entscheid zugelassen wurde nur eine Abstimmung gegen weitere Müllimporte, die die Kritiker jedoch mit 51 :49 Prozent knapp verloren.
Doch das Projekt entwickelte sich für Fürth zum Desaster. Zunächst hatte sich die Stadt auf das Angebot von Siemens KWU eingelassen, die Anlage in Fürth als Versuchsanlage kostenlos zu errichten, obwohl Konzerne bekanntlich nur selten Geschenke ohne Hintergedanken machen. Später akzeptierte sie auch noch eine substanzielle Beteiligung an den Betriebsrisiken. Taub stellte sich die Stadt hingegen für die Argumente der BN-Kreisgruppe und des Vereins "Müll und Umwelt Fürth e.V. ". Die Baukosten explodierten; aus den ursprünglich veranschlagten 170 Mio. DM wurden über 400 Mio. DM.
Nach Beginn des Probebetriebs 1997 gab es zahlreiche Probleme. 1998 kam es dann dabei zu einem schweren Störfall, bei dem 73 Menschen durch giftige Schwelgase verletzt wurden. Erst da zog man endlich die Reißleine. Doch Siemens übernahm nicht etwa die Verantwortung für seine lebensgefährliche Fehlkonstruktion. Stattdessen ließ der Konzern die Kommune bluten: 8,8 Mio. DM und eine hässliche Technikruine kostete die Stadt Fürth dieses Abenteuer, weitere 10 Mio. mussten die beiden Landkreise im Müllzweckverband zahlen.
PS: 2018 wurde die Anlage abgerissen. Ersatzlos. Denn den errechneten Bedarf gab es nach Einführung der Wertstofftrennung gar nicht mehr. Doch die Stadt hatte sich den Schlamassel mit einer Kombination aus Gutgläubigkeit, Beratungsresistenz und Starrsinn selbst eingebrockt.
Artikel der Fürther Nachrichten "Der Tag, an dem die Giftwolke über Fürth zog" vom 28. August 2008